• Ich spüre es
Ich spüre es, dass die Muskeln schwächer werden. Das macht mir furchtbare Angst. Es wird immer anstrengender die Treppen zu gehen und kurze Strecken strengen mich sehr an. Heute war ich bei einer Freundin zu Besuch. Sie hat mich eigentlich zum Essen eingeladen. Ich habe ihr dann vorher abgesagt. Ich meine das Essen. Weil ich gerne mit ihr quatschen wollte und ja nicht gleichzeitig essen und quatschen kann. Und da ich ja so langsam esse… war es mir lieber einfach nur was zu trinken damit wir uns unterhalten können. Der Weg vom Parkhaus bis zum Haus war ca 100 m. Ich musste eine Pause einlegen. Es waren 42 Treppenstufen bis in ihre Wohnung. Ja ich bin sie gegangen aber es hat ziemlich lange gedauert bis ich da oben war. Wenn ich daran denke, dass ich auch mal im 2. Stock gewohnt habe und die Wäsche und Getränke und Einkäufe hoch und runter getragen habe. Undenkbar für mich in einer solchen Wohnung zu wohnen. Ich weiß manchmal gar nicht wie ich das aushalten kann. Ich habe so Angst davor ein Pflegefall zu sein, dass mir Gedanken kommen wie ich vorher sterben kann. Das ist ja wieder so ein Thema worüber niemand reden will. Aber ich denke darüber nach weil ich eben kein Pflegefall sein will. Ich will selbst entscheiden wann ich gehe. Meine Hoffnung ist, dass meine Familie da hinter mir steht und mir hilft. Ich habe mal einen Film gesehen auch von einer jungen Frau die eine unheilbare Krankheit hatte. Sie hatte mit ihrer Familie eine Vereinbarung getroffen. Wenn sie nicht mehr kann und es zu schwer für sie wird, sollten die Verwandten ihr einen bestimmten Tablettencocktail geben, den sie dann trinkt. Es war anfangs für die Familie eine befremdliche Situation aber zum Schluss haben alle an ihrem Bett gestanden und waren bei ihr als sie eingeschlafen ist. Das war ein schönes Ende für alle Beteiligten. Ich muss mich schlau machen was möglich ist. Ich meine im Moment will ich leben und freue mich irgendwann mit meinem Mann in unserem Haus zu wohnen und noch eine schöne Zeit zu haben. Ich habe komischer Weise in den letzten Tagen das Gefühl, dass es im Moment etwas schneller schlechter wird. Und wenn ich das spüre bin ich schier am verzweifeln. Ich bewundere die Menschen, die trotz schwerer Krankheit positiv bleiben können. Ich gehöre nicht dazu. Allerdings werde ich für kleine positive Dinge aufmerksamer und bin dankbar dass es sie gibt. Z.Bsp. meinen Elektrorollstuhl. Das war absolut die richtige Entscheidung. Es ist so schön damit durch die Felder zu fahren, das Korn zu riechen und die Sonne auf der Haut zu spüren und den Wind. Es gibt kleine schöne Wege auch hier im Ort die ich vor längerem auch schon mal gelaufen bin und jetzt wieder erleben kann. Ich komme endlich aus meinen 4 Wänden raus. Kann mal einfach alleine draußen sein. Das erste Mal als ich durch die Felder gefahren bin und das Korn gerochen habe und der Wind mir die Haare zerzaust hat, musste ich voll losheulen weil ich ganz vergessen hatte wie schön das ist.
Mein Mann wird jetzt auch schon von den Nachbarn angesprochen weil ich im Rolli gesehen werde. Das finde ich befremdlich. Warum reden sie nicht mit mir? Vielleicht vergessen einige, dass das Gehirn ja kein Muskel ist. Nein es ist irgendwie typisch. Es ist ja leichter über jemanden zu reden als mit jemandem. Ich will es mal nicht so negativ sehen. Vielleicht sollte ich da mal das Gespräch suchen beim nächsten mal. Die Absage der BaföG Stelle habe ich vorgestern bekommen. Mal sehen was noch so an Stellen kommt. Es nutzt alles nichts deshalb tief Luft holen und entspannen und das Leben auf mich zu kommen lassen. Das ist im Moment die Devise mit der ich gut klar komme. Es geht immer weiter….